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Entsendungen
Was sind Entsendungen?
In der Sozialversicherung gilt das sogenannte Territorialprinzip, nach dem der Arbeitnehmende grundsätzlich in dem Land versichert ist, in dem er eine Erwerbstätigkeit ausübt. Das bedeutet, dass alle Beschäftigten in Deutschland sozialversicherungspflichtig sind, die auch dort eine Erwerbstätigkeit ausüben. Ausnahmen von dieser Regelung gibt es in bestimmten Fällen nur durch:
- überstaatliche geltendes Recht
- bilaterale / zwischenstaatliche Vereinbarungen
- Ausstrahlung nach§ 4 SGB IV
Sollte sich der Arbeitnehmende auf Weisung seines inländischen Arbeitgebenden ins Ausland begeben, um dort seine Tätigkeit fortzuführen, spricht man von einer sogenannten Entsendung. Dabei muss der Arbeitnehmende in jedem Fall zuvor in Deutschland beschäftigt gewesen sein oder hier seinen Wohnsitz beziehungsweise seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort gehabt haben.
Obwohl der entsandte Arbeitnehmende auch weiterhin der deutschen Sozialversicherungspflicht unterliegt, gibt es auch gleichzeitig einen Anspruch von Seiten des Sozialversicherungssystems des Landes, in das er entsandt wird. Dadurch kann es unter Umständen dazu kommen, dass für ein und dieselbe Beschäftigung Sozialversicherungsbeiträge in zwei Staaten zu entrichten sind. Um solche Doppelzahlungen zu vermeiden, gibt es eine Reihe von Sozialversicherungsabkommen, die im Rahmen des überstaatlichen und bilateralen Rechts einheitliche Regelungen vorsehen.
Entsendung innerhalb Europas
Für die Entsendung innerhalb Europas gilt in der Regel die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über soziale Sicherheit. Damit diese greift muss:
- der Arbeitnehmende im Rahmen eines in Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses ins Ausland entsandt werden
- die Entsendung dabei durch die Eigenart der Beschäftigung (z.B. ein Projekt) oder aufgrund eines Vertrags von vornherein befristet sein
- darf der Arbeitnehmende keinen anderen entsandten Mitarbeitenden ablösen
Werden alle Punkte erfüllt, so bleibt das Beschäftigungsverhältnis nach den deutschen Rechtsvorschriften sozialversicherungspflichtig, obwohl die Tätigkeit im Ausland ausgeübt wird.
Hinweis
Für einen Arbeitnehmenden, der in ein Land entsandt wird, in dem die Verordnungen (EG) zur sozialen Sicherheit gelten, sind diese Regelungen vorrangig anzuwenden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass es bei der Anwendung der Verordnung zu Einschränkungen im gebietlichen, persönlichen und sachlichen Geltungsbereich kommen kann.
Voraussetzungen
Angaben zur gewöhnlichen Geschäftstätigkeit des Arbeitgebenden
Damit eine Entsendung nach der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 erfolgen kann, muss der Arbeitgebende oder die Dienstbehörde in Deutschland gewöhnlich tätig sein. Dabei reicht eine reine Verwaltungstätigkeit nicht aus. Die Tätigkeit muss nennenswert sein, was bedeutet, dass der Arbeitgebende mindestens 25 % seines Umsatzes in Deutschland erwirtschaften muss.
Sollte das Unternehmen weniger als 25 % seines Umsatzes in Deutschland erzielen, so müssen alle Merkmale geprüft werden. Dabei werden die folgende Sachverhalte berücksichtigt:
- der Ort an dem das Unternehmen seinen Sitz und seine Verwaltung hat
- die Anzahl der Mitarbeitenden, die im Entsendeland und Beschäftigungsland arbeiten
- die Anzahl der Arbeitnehmenden in den Betriebsstätten des Arbeitgebenden in anderen Staaten
- der Ort an dem ein Großteil der Verträge geschlossen wird und welchem Recht diese unterliegen
- die Dauer in dem der Arbeitgebende eine Geschäftstätigkeit in Deutschland ausübt
Wenn bei der Gesamtbetrachtung festgestellt wird, dass in Deutschland eine nennenswerte Tätigkeit vorliegt, so gelten für den entsandten Arbeitnehmenden die deutschen Rechtsvorschriften.
Angaben zum Arbeitsverhältnis in Deutschland
Nach der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 liegt eine Entsendung dann vor, wenn für den Arbeitnehmenden unmittelbar vor dem Einsatz im Ausland mindestens ein Monat lang deutsche Rechtsvorschriften der Sozialversicherung gegolten haben. Eine Entsendung würde dann nicht vorliegen, wenn beispielsweise ein Mitarbeiter zwar in Deutschland wohnen würde, jedoch seine Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit im Ausland bezieht.
Arbeitsrechtliche Anbindung des Arbeitnehmenden an den Arbeitgebenden
Die arbeitsrechtliche Anbindung zwischen beiden Parteien muss auch während der Entsendung fortbestehen. Dies bedeutet, dass das Unternehmen sowohl für die Anwerbung des Arbeitnehmenden verantwortlich ist, als auch für den Abschluss und die Fortführung des Arbeitsvertrags sowie für die Entlassung des Arbeitnehmenden. Ebenso muss der Arbeitgebende auch weiterhin weisungsbefugt bleiben.
Gleichzeitig bedeutet dies aber auch, dass weiterhin eine Entgeltanspruch des Arbeitnehmenden gegenüber dem Arbeitgebenden in Deutschland besteht.
Eine Arbeitsrechtliche Anbindung liegt nicht vor, und damit auch keine Entsendung, wenn:
- der Arbeitsvertrag mit dem entsendenden Arbeitgebenden ruhend gestellt wurde
- ein ergänzender Arbeitsvertrag mit dem Unternehmen geschlossen wurde, zu dem der Arbeitnehmende entsandt wurde
- das ausländische Unternehmen den entsandten Mitarbeitenden einem anderen Unternehmen überlässt.
Ablösung eines Arbeitnehmenden
Ein Unternehmen könnte einen Arbeitsplatz in einem anderen Mitgliedstaat dauerhaft besetzen, indem es verschiedene Arbeitnehmende im Rotationsverfahren dorthin entsendet. Dies widerspricht allerdings dem Grundgedanken der Entsendung. Deshalb legt die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 fest, dass es sich nicht um eine Entsendung handelt, wenn eine entsandte Person in einem anderen Mitgliedstaat eine zuvor entsandte Person ablöst.
So ein Fall wäre nur bei Krankheit zulässig und der gesamte Zeitraum der Entsendung darf den ursprünglich geplanten Entsendezeitraum nicht überschreiten.
Zeitliche Befristung einer Entsendung
Für eine Entsendung gilt nach Verordnung (EG) Nr. 883/2004 als Grundvoraussetzung, dass der Einsatz begrenzt ist und die voraussichtliche Höchstdauer des Auslandseinsatzes 24 Monate nicht übersteigt. Es besteht die Möglichkeit, einen Arbeitnehmenden mehrfach zu entsenden oder eine Entsendung zu verlängern, solange die Grenze von 24 Monaten nicht überschritten wird. Sollte es dennoch zu einer Überschreitung dieses Zeitraums kommen, so kann eine Ausnahmevereinbarung beantragt werden. Andernfalls gelten die Rechtsvorschriften des ausländischen Staats.
Unterbrechnung
Eine Entsendung endet nicht, wenn eine Unterbrechung von eine Zeitraum von bis zu zwei Monaten vorliegt. Ursache dafür können z.B. Urlaub, Fortbildung oder Krankheit sein. Diese Unterbrechung wird in die Frist von 24 Monaten einberechnet, allerdings verlängert sich der Gesamtzeitraum dadurch nicht
Im Falle, dass eine Entsendung für mehr als zwei Monate unterbrochen wird, gilt sie als beendet. Wird dann der Auslandseinsatz nach der Unterbrechung fortgesetzt, ist eine erneute Prüfung der Entsendung nicht erforderlich, sofern keine Änderungen eingetreten sind. Auch in diesem Fall wird die Unterbrechung in den Gesamtzeitraum von 24 Monaten mit eingerechnet.
Erneute Entsendung
Für eine erneute Entsendung ist es ratsam zu prüfen, ob eine Unterbrechung dazu genutzt wird, um bei einem eigentlich unbefristeten Einsatz die Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften aufrechtzuerhalten. Im Fall, dass ein Arbeitnehmender erneut in das gleiche Land entsandt wird, ist eine erneute Entsendung dann möglich, wenn zwischen den beiden Zeiträumen mindestens zwei Monate liegen.
Entsendungsbescheinigung / A1-Bescheinigungen
Was ist eine Entsendungsbescheinigung / A1-Bescheinigung?
Für erwerbstätige Personen gelten in der Regel die sozialversicherungsrechtlichen Regelungen des Staates, in dem sie ihr Einkommen erzielen. Wird der Mitarbeiter vorübergehend in eine anderes Land auf Anweisung ihres Arbeitgebenden entsendet, so kann mit der A1-Bescheinigung ein Nachweis erbracht werden, ob für sie das Recht des Entsendestaates oder die Vorschriften des ausländischen Staates maßgebend sind.
Das bedeutet, dass die A1-Bescheinigung dokumentiert, dass der Mitarbeiter weiterhin dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt und eine gleichzeitige Beitragszahlung in mehreren Mitgliedstaaten oder ein Wechsel des Sozialversicherungssystems entfällt. Die folgenden Staaten fallen unter die Regelung der A1-Bescheinigung:
- alles Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU)
- Liechtenstein
- Schweiz
- Island
- Norwegen
- Schweden
- Großbritannien und Nordirland
Wird keine A1-Bescheinigung für die Entsendung ausgestellt, so unterliegt die Person in der Regel den im Ausland geltenden rechtlichen Bestimmungen (Territorialitätsprinzip).
Für wen gilt die A1-Bescheinigung
Eine A1-Bescheinigung wird von allen erwerbstätigen Personen benötigt, wenn sie vorübergehend in den oben genannten Staaten tätig sind.
Darunter zählen unter anderem die folgenden Personengruppen:
- Arbeitnehmende eines privatwirtschaftlichen Unternehmens
- verbeamtete Personen und Beschäftigte des öffentlichen Dienstes
- selbstständig erwerbstätige Personen
- Beschäftigte auf einem Hochseeschiff, deren Wohnsitz und der Sitz des Arbeitgebenden sich in Deutschland befindet, aber der Einsatz auf einem Schiff erfolgt, welches unter der Flagge unter eines der oben genannten Staaten fährt
- Personen mit Wohnsitz und Sitz des Arbeitgebenden in Deutschland , die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eingesetzt werden
Voraussetzung für die Entsendung ins Ausland ist die Erfüllung des sogenannten persönlichen Geltungsbereichs nach EU-Recht. Dieser ist erfüllt, wenn die Staatsangehörigkeit der betreffenden Person eine Entsendung in das angestrebte Beschäftigungsland zulässt. Dabei berechtigt immer eine EU-Staatsangehörigkeit zu einer Entsendung in einen anderen EU-Mitgliedstaat. Es gibt allerdings Fallkonstellationen hinsichtlich der Staatsangehörigkeit, bei der eine Entsendung nach EU-Recht nicht zulässig ist und keine A1-Bescheinigung erstellt werden darf. Finden Sie diese in der folgenden Tabelle:
Nationalität der erwerbstätigen Person | |||||
EU Mitgliedsstaat |
Island, Liechtenstein, Norwegen |
Schweiz | Nicht-EU Staat | ||
Land der Entsendung | EU Mitgliedsstaat (nicht Dänemark) | ✅ A1 berechtigt | ✅ A1 berechtigt | ✅ A1 berechtigt | ✅ A1 berechtigt |
Großbritannien | ✅ A1 berechtigt | ✅ A1 berechtigt | ✅ A1 berechtigt | ✅ A1 berechtigt | |
Dänemark | ✅ A1 berechtigt | ✅ A1 berechtigt | ✅ A1 berechtigt | ✅ A1 berechtigt | |
Schweiz | ✅ A1 berechtigt | ❌ nicht A1 berechtigt | ✅ A1 berechtigt | ❌ nicht A1 berechtigt | |
Island, Liechtenstein, Norwegen | ✅ A1 berechtigt | ✅ A1 berechtigt | ❌ nicht A1 berechtigt | ❌ nicht A1 berechtigt |
Ab dem 01.01.2025 könne Arbeitgebende auch für Grenzgänger einen A1-Antrag erstellen. Dieser dient als Nachweis des deutschen Versicherungsschutzes für Personen, welche im Ausland leben, aber in Deutschland beschäftigt sind. Man spricht hierbei von Grenzgängern. Diese müssen ihren Versicherungsschutz in bestimmten Fällen entsprechend nachweisen.
Antragstellung der A1-Bescheinigung
Eine Beantragung der Ausstellung der A1-Bescheinigung erfolgt in der Regel immer auf dem elektronischen Wege über die vorhandene Payroll-Software oder das SV-Meldeportal durch den Arbeitgebenden oder die zuständige Dienstbehörde.
Hinweis
Seit dem 01.01.2021 ist eine elektronische Antragstellung verpflichtend. Die Papierform ist, bis auf bestimmte Ausnahmen, nicht mehr zulässig. Die betroffenen Personenkreise und die dazugehörigen Anträge finden sich auf der Seite des GKV-Spitzenverbands
Beachten Sie, dass eine A1-Bescheinigung immer vor Antritt der Entsendung erfolgen sollte, damit eine vorschnelle Beitragserhebung im Beschäftigungsstaat vermieden wird.
Sollte es sich um eine kurzfristige oder kurzzeitige Dienst- oder Geschäftsreise von bis zu sieben Tagen handeln, kann die A1-Bescheinigung nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, im Bedarfsfall, auch nachträglich beantragt werden.
Der Antrag der A1-Bescheinigung muss sich dabei an die zuständige Stelle richten:
- für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmende an die zuständige Krankenkasse des Arbeitnehmenden
- für privat krankenversicherte Arbeitnehmende an die Deutsche Rentenversicherung Bund
- für privat krankenversicherte Arbeitnehmende . die einer berufsständischen Versorgungseinrichtung angehören (z.B. Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte) an die Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen (ABV)
- für geringfügig Beschäftigte ist der Antrag an die tatsächliche Krankenkasse oder bei einer privaten Versicherung an die Deutsche Rentenversicherung Bund abzusetzen
Antrag auf Ausnahmevereinbarung
Für Arbeitnehmende gelten die Gesetze des ausländischen Staates, wenn die Voraussetzungen nach der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 für eine Entsendung nicht erfüllt sind. Wenn es einen besonderen Grund geben sollte, dass für eine erwerbstätige Person auch während der Auslandstätigkeit weiterhin die Gesetze des Entsendestaates gelten sollen, so kann der Arbeitgebende eine Ausnahmevereinbarung beantragen. Bei Genehmigung gelten dann während der gesamten Beschäftigung im Ausland auch weiterhin die deutschen Gesetze.
Diese Ausnahmevereinbarung kann für eine Dauer von bis zu 5 Jahren geschlossen werden. Der Ansprechpartner ist hier grundsätzlich die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland (DVKA).